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Der Mythos des „Service public“

Der Missbrauch des Begriffs „Service public“

Der Service public ist im politischen Diskurs omnipräsent. Keine Partei wagt es, ihn in Frage zu stellen. An forderster Front der Befürfworter findet sich die Sozialdemokratische Partei der Schweiz, die sich als „Partei des Service public“ bezeichnet.[1] Die anderen – mithin bürgerlichen – Parteien bekunden allerhöchstens, dass sie ihn reformieren oder modernisieren wollen, auch wenn sie ihn nicht gleich offen unterstützen.[2]

Der Ausdruck ist gewissermassen zu einem unantastbaren Mantra geworden, als ob es ausreichen würde, den Service public zu beschwören, um jedes beliebige staatliche Monopol zu rechtfertigen. Rechtliche Privilegien oder überhöhte Preise, die in anderen Zusammenhängen kritisiert würden, werden als rechtmässig erklärt, sobald es um den Service public geht. Der französische Ausdruck hat sich eins zu eins in der Deutschschweiz etabliert, was seinen Charakter und seine sloganartigen Attribute unterstreicht.

Eine verbreitete Ansicht besteht darin zu glauben, dass die „öffentlichen Dienstleistungen“ aus gutem Grund entstanden seien und dass ihre Bereitstellung durch den Staat einen unantastbaren Fortschritt begründet habe. So haben die Verfechter der „öffentlichen Dienstleistungen“ ein leichtes Spiel, den Status quo zu verteidigen und sich gegen jede als „Abbau“ verschriene Liberalisierung aufzulehnen.

Auch wenn diverse theoretischen Begründungen (die im Übrigen anzuzweifeln sind) den Service public unterstützen, gilt es zu beachten, dass diese Argumente oftmals aufgekommen sind, nachdem die Dienstleistungen monopolisiert worden waren. Sie dienen ex post als Rechtfertigungen für Verstaatlichung und monopolistische Privilegien – zu Gunsten gewisser Interessensgruppen, aber zum Nachteil der Interessen der Konsumenten.[3]

Hinter der Kritik an der Liberalisierung verbirgt sich oft die Angst vor dem Verlust ungerechtfertigter Vorteile. Selbstverständlich kann dies kein gültiges Argument gegen die Liberalisierungen sein. Letztere müssen vielmehr unter dem Gesichtspunkt der Ungerechtigkeit betrachtet werden, die entstehen, wenn gewissen Unternehmen rechtliche Vorteile gewährt werden, sowie unter dem Aspekt der zahlreichen Verbesserungen, die sie bringen, sowohl für die legitimen Interessen der Konsumenten als auch für die der innovativsten und wettbewerbsfähigsten Produzenten.

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Die Definitionen des Service public bleiben vage und stützen sich meist auf zweifelhafte Konzepte. Die öffentlichen Dienstleistungen sind allgemein definiert als das, was von „allgemeinen Interesse“ ist, was „Grundgüter“, „Grunddienstleistungen“ oder Angebote umfasst, die als „Grundversorgung“ bereitgestellt werden „müssen“. Diese Kriterien sind für die Anhänger der staatlichen Intervention von Vorteil, da sie die Rechtfertigung der staatlichen Monopolisierung gewisser, als „öffentlich“ erachteter Dienstleistungen erlauben, obwohl sich diese Dienstleistungen in Wahrheit in nichts von anderen, ohne Bedenken durch den Markt erbrachten Leistungen unterscheiden.

Dienstleistungen von „allgemeinem Interesse“?

Einer ersten Definition entsprechend stellt der Service public die Gesamtheit aller Dienstleistungen (die öffentlichen Dienstleistungen) dar, die einem allgemeinen Interesse dienen, im Gegensatz zu anderen Dienstleistungen, die einzig privaten Interessen folgen.[4] Andere Charakteristika knüpfen oft an diese Definition an, wie etwa das Absehen von der Gewinnorientierung. Allgemein sind dies offensichtlich die dominierenden politischen Definitionen.

„Allgemeines“ und privates Interesse

Wenn Dienstleistungen als „von allgemeinem Interesse“ definiert werden, stellt sich die Frage, was dies genau heisst. Dabei ist es notwendig, sich in Erinnerung zu rufen, dass das „allgemeine Interesse“ eine Illusion darstellt, die sich leicht als solche durchschauen lässt. In der Tat haben nur die Individuen – und nicht „die Allgemeinheit“ – einen Willen, Wünsche, Bedürfnisse und Interessen, und nur sie handeln und entscheiden beispielsweise, ob sie bestimmte Güter und Dienstleistungen konsumieren wollen oder nicht.[5] Die Verschiedenheit der Bedürfnisse, Präferenzen und Wahlmöglichkeiten der Individuen impliziert, dass jede Person andere Interessen verfolgt. Es existiert kein „allgemeines Interesse“, das allen ohne Ausnahme gemein ist oder das über eine kohärente Aggregation der unterschiedlichen individuellen Interessen definiert werden könnte.[6]

Da das allgemeine Interesse aufgrund der einzelnen Interessen aller nicht identifizierbar ist, kommen nun einige auf die Idee, sie unabhängig von der Gesamtheit der individuellen Interessen zu definieren, indem sie ganz einfach als allgemeines Interesse erklären, was das Gesetz oder ein Richter als solches betrachtet. Dabei handelt es sich klarerweise um kein allgemeines Interesse mehr, sondern um die Meinung eines einzelnen – die oft an seine eigenen Interessen angelehnt ist. Die Widersinnigkeit der Idee eines allgemeinen Interesses findet sich bereits bei Rousseau, und zwar da, wo er ein schizophrenes Individuum mit einem besonderen Willen einführt, „das dem allgemeinen Willen, das es als Staatsbürger hat, widerspricht oder mit ihm nicht in Einklang steht“.[7] Sein Versuch, den besonderen und den allgemeinen Willen zu versöhnen, hat Rousseau bedauerlicherweise zum Schluss geführt, dass „jeder, der dem allgemeinen Willen den Gehorsam verweigert, von dem ganzen Körper dazu gezwungen werden soll“.[8] Selbstverständlich ist ein Wille, wenn er einem Individuum aufgezwungen wird, definitionsgemäss nicht mehr sein eigener, mithin überhaupt kein Wille mehr, sondern vielmehr der willfährige Nachvollzug des Willens eines anderen.

Die Individuen, die ein Land bilden, eine Nation oder eine Gesellschaft, haben ohne Zweifel gemeinsame Interessen. Wenngleich sie nicht von allen geteilt werden, so wenigstens von der Mehrheit – beispielsweise in Sicherheit zu leben, genügend zu essen zu haben, seinen Lebensunterhalt zu verdienen etc. Der Markt erweist sich als fähig, gemeinsamen, wie auch seltenen, ja sogar einzigartigen Interessen zu gerecht zu werden. Um ein Bedürfnis zu befriedigen, auch ein lebensnotwendiges, drücken die Konsumenten ihre Präferenzen auf dem Markt aus, und die Produzenten antworten auf deren Nachfrage. Sei es bei der Produktion des Brots, das jeder konsumiert, oder bei der Herstellung einer kulinarischen Spezialität, die nur wenige schätzen, sowohl die Präferenzen der Mehrheit als auch diejenigen einer kleinen Minderheit können erfüllt werden. Die Massenproduktion des gleichen Produkts zu Tausenden in einer Fabrik oder Consulting-Dienstleistungen, die einer einzelnen Person oder einem Unternehmen eine ad hoc-Lösung bieten, sind ebenso verschiedene Dinge, welche die Individuen in Anspruch nehmen. Durch die vermittelnde Funktion des Markts ist es möglich, besser auf die individuellen Bedürfnisse und Wünsche, die sich von Person zu Person unterscheiden, einzugehen.

Angesichts der Tatsache, dass ein Gut oder eine Dienstleistung auf differenzierte Art und Weise hergestellt werden kann und dass die Individuen sich entscheiden können, sie in Anspruch zu nehmen oder auch nicht, scheint es absurd, die Gesamtheit der Bevölkerung dazu zu zwingen, das gleiche Gut oder die gleiche Dienstleistung zu konsumieren. Daher werden natürlich jedes Gut und jede Dienstleistung notwendigerweise im Interesse des Käufers erworben, sonst würde er ja nicht kaufen. Konsequenterweise dient jedes Unternehmen, egal ob privat oder „öffentlich“, privaten Interessen, die genau so gut auch nur die eines einzelnen Individuums sein können. Der wahre Unterschied beruht auf der Tatsache, dass die von den privaten Unternehmen angebotenen Dienstleistungen auf dem freien Markt auf freiwillige Weise finanziert werden, also von denen, die ein Interesse daran haben, während die „öffentlichen“ Dienstleistungen durch Zwang, die Erhebung von Steuern oder durch in einem Monopol gefangene Konsumenten finanziert werden. Diese Dienstleistungen sind daher notwendigerweise von einem mehr oder weniger grossen Anteil an Individuen finanziert, die sie zum Preis, den sie kosten, nicht kaufen würden, falls sie die freie Wahl hätten.

Sämtliche Interessen sind privater Natur. Wenn man an einer prinzipiellen Unterscheidung zwischen Interessen festhalten möchte, dann allenfalls an derjenigen zwischen den legitimen, welche die Individuen durch Zusammenarbeit oder den freiwilligen Austausch mit anderen Individuen verfolgen können, und den illegitimen, die durch die Nichtberücksichtigung der individuellen Wahlfreiheit, beispielsweise durch „öffentliche Dienstleistungen“, verfolgt werden. In der Tat, der Umstand, dass der Staat Dienstleistungen durch Zwang finanziert, ermöglicht es gewissen Leuten, den Preis ihrer Präferenzen auf andere abzuwälzen. Es gibt kein „gemeinsames Interesse“, durch das eine Dienstleistung produziert würde, die ausschliesslich einem Teil der Bevölkerung dient.

Eine politische Definition

Eine andere Unterscheidung, die zum Thema der öffentlichen Dienstleistungen häufig angewendet wird, besteht darin, die privaten Unternehmen, welche die Gewinnmaximierung als Zweck haben, den „öffentlichen“ gegenüberzustellen, die keinerlei Gewinn erwirtschaften (oder den Gewinn nicht als Hauptzweck sehen) und sich dabei angeblich besser auf andere Ziele wie die Qualität oder die Servicedichte konzentrieren könnten.

Diese Definition entbehrt jedoch, bei Lichte besehen, jeglicher Grundlage. Tatsächlich beruht sie auf einem Kostenargument. Die privaten Unternehmen verkaufen ihre Produkte über den Kosten, erwirtschaften Gewinne, während das öffentliche Unternehmen bloss die Kosten decken und keinen Gewinn erwirtschaften muss. Die Kosten hängen aber stärker von der menschlichen Unternehmensführung ab als oft angenommen wird. Nun kann also ein öffentliches Unternehmen hohen „Kosten“ ausgesetzt sein, schlicht weil es schlecht geführt ist. Wenn man ihm darüber hinaus verbietet, Gewinne zu erzielen, wird es den Gewinn ganz einfach in versteckter Weise in den Kosten einschliessen, beispielsweise in Form von überhöhten Löhnen, Ausgaben für unnötige Büroeinrichtungen oder Privilegien für Mitarbeiter.[9]

Die formale Abwesenheit des Gewinns bedeutet also noch lange nicht, dass ein Unternehmen dem „allgemeinen Interesse“ dient. Im Gegenteil: Das Privileg, Monopolist zu sein, wird immer dazu führen, dass nur bestimmte Individuen profitieren, beispielsweise die Angestellten der für die „öffentlichen Dienstleistungen“ tätigen Unternehmen, und somit immer nur bestimmte Privatinteressen.

Die einzige operationelle Definition der öffentlichen Dienstleistungen ist diejenige, dass es sich um Güter handelt, welche die Männer des Staates als solche definieren, mit anderen Worten eine ausschliesslich politische Definition. Es ist bezeichnend, dass der Bundesrat diese Tatsache offen gesteht: „Unter Service public versteht der Bundesrat eine politisch definierte Grundversorgung mit Infrastrukturgütern und Infrastrukturdienstleistungen, welche für alle Bevölkerungsschichten und Regionen des Landes nach gleichen Grundsätzen in guter Qualität und zu angemessenen Preisen zur Verfügung stehen sollen.“[10]

Diese „politische Definition“, weit vom Mythos eines „allgemeinen Interesses“ entfernt, ist notwendigerweise der Ausdruck der Interessen einzelner, denen es der „Service public“ erlaubt, Privilegien oder Dienstleistungen auf Kosten anderer Personen in Anspruch zu nehmen.

Die Theorie der „öffentlichen Güter“

In anderen Fällen wird die Herstellung gewisser Güter oder Dienstleistungen durch den Staat oder durch ein gesetzlich geschütztes Monopol mit der von einigen Ökonomen verwendeten Theorie der „öffentlichen Güter“ gerechtfertigt. Wir haben bereits darauf hingewiesen:, Soll ein Gut so hergestellt werden, dass es den Bedürfnissen und mannigfaltigen Präferenzen der Konsumenten am besten entspricht, so muss es in verschiedenen Arten produziert werden können. Der Gegenstand der Theorie der „öffentlichen Güter“ besteht nun aber darin, diejenigen Güter zu identifizieren, die nicht auf verschiedenartige Weise hergestellt werden können und bei denen der Markt nicht fähig wäre, sie anzubieten.

Unmöglich zu identifizierende Güter

Die „öffentlichen Güter“ (oder „Kollektivgüter“) sind allgemein definiert als Dienstleistungen, die einerseits einen weiteren Verbraucher zu keinerlei zusätzlichen Kosten befriedigen können (Nichtrivalität) und bei denen es andererseits nicht möglich ist, einen Verbraucher auszuschliessen, der für das Gut nicht bezahlt hat (Nichtausschliessbarkeit). Es wird angenommen, dass diese Güter aufgrund ihrer Charakteristiken in einem sich selbst überlassenen Markt nicht produziert würden und dass der Staat sie daher für alle produzieren müsse (notwendigerweise in einer Art und Weise, welche die Unterschiedlichkeit der Präferenzen nicht beachtet), indem er sie über Steuern finanziere.

In der Praxis jedoch sind diese Güter nicht identifizierbar.[11] Allein die Bezeichnung des „Guts“ ist individuell: Ein Gut ist nur ein solches für Leute, die es als solches anerkennen.[12] Angesichts der Unterschiedlichkeit der individuellen Präferenzen ist es praktisch unmöglich, dass die Gesamtheit der Einwohner eines bestimmten Gebiets unter einem Gut dasselbe versteht und wünscht, dass es für sie in gleicher Art und Menge hergestellt wird.[13]

Wie der Ökonom Knut Wicksell vor über einem Jahrhundert feststellte, kann eine öffentliche Aktivität nicht als einem gemeinsamen Bedürfnis gerecht werdend angesehen werden, wenn dies die Gesamtheit der Individuen nicht so sieht. Es scheint ganz einfach ungerecht, dass jemand dazu gezwungen wird, eine Aktivität zu finanzieren, die nicht seinen Interessen entspricht, ja ihnen unter Umständen sogar diametral entgegengesetzt ist. Eine solche Aktivität sollte daher privat bleiben.[14]

Überdies sind die realen Präferenzen der Konsumenten nicht anders beobachtbar als über ihre Handlungen in einem freien Markt. Indem ein solcher Markt durch die Errichtung eines „öffentlichen“ Monopols unterdrückt wird, wird es unmöglich zu beurteilen, ob letztgenanntes wirklich den Bedürfnissen der Individuen entspricht und ob sie bereit wären, die Dienstleistungen aus eigenen Stücken zu finanzieren, wenn sie die Wahl hätten.

Der „öffentliche“ Charakter eines Gutes, selbst wenn er nachgewiesen werden könnte, würde allein nicht ausreichen, den normativen Schluss zu rechtfertigen, dass ein solches Gut produziert werden müsse. Und selbst gesetzt den Fall, es könnte gezeigt werden, dass ein Gut produziert werden „muss“ – selbst dann müsste zusätzlich noch nachgewiesen werden, dass all die, die es bezahlen müssten, es auch vorziehen, das Gut zu diesem Preis zu beziehen anstelle von anderen Gütern, die sie mit dem gleichen Betrag hätten kaufen können, wenn ihnen die Wahl gelassen worden wäre.[15]

Legt man die Theorie der „öffentlichen Güter“ konsequent aus, so erlaubt sie nicht, die Intervention des Staats zu rechtfertigen. Im Übrigen erfüllen die traditionellen „öffentlichen Dienstleistungen“ in keiner Weise die Kriterien „öffentlicher Güter“, selbst wenn diese in einem vagen und breiten Sinn ausgelegt werden. Die Post und die Telekommunikation erweisen sich als ganz normale Dienstleistungen, und selbst die Autobahnen erfüllen die Kriterien eines öffentlichen Gutes augenscheinlich nicht. Der Zugang zu den Autobahnen kann kontrolliert werden, beispielsweise mit Vignetten oder durch Mautgebühren, und es ist angenehmer, auf einer Strecke zu fahren, wo der Verkehr flüssig verläuft, als auf einer trecke, die einem Flaschenhals ähnelt.

Die Theorie der „natürlichen Monopole“ und die „Skaleneffekte“

Manche sehen die vorangegangenen Beispiele als nichtöffentliche Güter an, mithin als „natürliche Monopole“. Dagegen hat sich die Abschaffung gewisser, einst als „natürlich“ und „öffentlich“ betrachteter Monopole wie beispielsweise dasjenige der Telefonie durch substanziell gesunkene Preise (trotz der Vervielfachung der Infrastrukturkosten und der Werbung aufgrund der Zahl der im Wettbewerb stehenden Unternehmen) bezahlt gemacht. Die Post, der Bahnverkehr und selbst die Leuchttürme[16] waren übrigens auch nie natürliche Monopole. Der Markt ist durchaus in der Lage, auch diese Dienstleistungen anzubieten, und die Erfahrung zeigt, dass im Wettbewerb stehende Unternehmen fähig sind, sie günstiger als ein Monopol herzustellen – entgegen dem, was die Theorie der „natürlichen Monopole“ postuliert.[17]

Auch die „Skaleneffekte“, das heisst hohe Fixkosten in Verbindung mit geringen variablen Kosten, rechtfertigen die Intervention des Staats nicht. Jede Branche hat „Fixkosten“, die nur ab einer bestimmten Anzahl von Käufern amortisiert werden, egal ob die Grenzkosten gering oder nicht vorhanden sind, egal ob es sich um die Kosten eines zusätzlichen Flugpassagiers oder eines Theaterbesuchers handelt; an der Notwendigkeit der Bezahlung der angebotenen Dienstleistung ändert dies nichts.[18]

Die angeblichen Vorteile des staatlichen Monopols

Paradoxerweise werden die staatlichen Monopole als „öffentliche Dienstleistungen“ gelobt, während „marktbeherrschende Stellungen“ eines Produzenten auf einem freien Markt kritisiert werden. Im Privatsektor gibt es kein Monopol, solange ein freier Zutritt zum Markt besteht, selbst dann nicht, wenn nur ein einziger Anbieter in der Lage ist, den Bedürfnissen der Konsumenten am besten zu genügen.[19] Dagegen ist ein Monopol vorhanden, wenn der Wettbewerb gesetzlich verboten wird, wenn mit anderen Worten der Versuch, die Bedürfnisse der Kunden besser als der vorherrschende Produzent zu befriedigen, für illegal erklärt wird.

Das staatliche Monopol erlaubt es also implizit, unter dem Deckmantel des Service public die Wünsche der Kunden nicht zu befriedigen und ihnen nicht das anzubieten, was sie wünschen. Es darf nicht vergessen werden, dass die öffentlichen Ausgaben in keinem Fall mit Marktbedingungen vergleichbar sind. Ohne das Signal der Preise und den Gewinnzweck erweist sich die vom Staat geplante Produktion als ein Tappen im Dunkeln.[20] Bei Abwesenheit vollständiger Information über die Präferenzen der Konsumenten ist es dem Staat nicht möglich zu wissen, was zu welchem Preis und in welcher Menge produziert werden soll. Ohne den Gewinn, den Wettbewerb und ohne die Verantwortung für Verluste und Scheitern werden die Kosten nicht nach unten gedrückt, sondern hängen vorderhand von bürokratischen Anreizen ab, da sie nicht nur ignoriert, sondern durch kosten- statt gewinnorientierte Zielsetzungen sogar gefördert werden.

Es wird argumentiert, dass diese wohlbekannten Schwächen des Monopols von anderen Vorteilen einer „öffentlichen Verwaltung“ kompensiert würden, im Wesentlichen durch die „demokratische Kontrolle“ und eine „lückenlose Grundversorgung“.

Die „demokratische Kontrolle“

Wenn die Demokratie das einzige Mittel zum Treffen einer Entscheidung zu sein scheint, die von der Gesamtheit der Gemeinschaft getroffen werden muss, und wenn es legitim wäre, diese Entscheidung allen aufzuerlegen, so gibt es in allen anderen Fällen keinen Grund, dass nicht jeder für sich selbst eine Entscheidung treffen sollte, ohne sie den anderen aufzuerlegen. Dies entspricht einem richtig aufgefassten Subsidiaritätsprinzip: Die Entscheidungen, die auf privater Ebene getroffen werden können, sollten auch auf der privaten Ebene verbleiben.[21]

Im Zusammenhang mit der „Demokratie“ der öffentlichen Güter ist ein beliebtes Argument das „Fehlen der demokratischen Kontrolle“ im Privatsektor, wo die Entscheidungen durch irgendwelche grossen Patrons oder Aktionäre getroffen würden, im Gegensatz zur Kontrolle durch jedes Mitglied der Bevölkerung, wie es die Demokratie vorsieht.

Das Gegenteil ist wahr. Wenn die Demokratie als Kontrolle eines jeden über das, was ihn betrifft, aufgefasst wird, so ist der Markt in diesem Sinne wesentlich demokratischer als die politische Kontrolle. Auf dem Markt kann in der Tat jeder frei entscheiden, wie und wo er sein Geld ausgeben möchte. So wird direkt entschieden, welche Produzenten Erfolg haben und welche Produkte verkauft werden.

Entgegen der politischen Demokratie zählt auf dem Markt jede Stimme, die Meinung von Mehrheiten und von Minderheiten wird vollständig einbezogen. Die individuelle Entscheidung erlaubt es, diejenigen Güter zu beziehen, die gewünscht werden, also festzulegen, welche Produzenten den Bedürfnissen am ehesten entsprechen.[22] Ganz im Gegenteil zur politischen Demokratie, wo es schliesslich bestenfalls nur der Medianwähler ist, der befriedigt werden kann.

Die „demokratische Kontrolle“ erweist sich in Wahrheit bloss als Mythos: Auch mit einer direkten Demokratie kann die Kontrolle bloss indirekt und gelegentlich ausgeübt werden. Die Kontrolle der Wählerschaft drückt sich anders als im Markt, wo die täglichen Aktivitäten Einfluss haben, nicht jedes Jahr gleich aus. Zwischenzeitlich gewinnen andere Interessen die Mehrheit, seien es diejenigen der Bürokraten oder diejenigen gewisser privilegierter Interessensgruppen und anderer Lobbies. Durch den Urnengang hat ein Bürger nur einen verschwindend geringen Einfluss auf das, was ihn betrifft.

Die „Kontinuität“ und die „Grundversorgung“

Es gilt zu sehen, dass jedes „der Öffentlichkeit dienende“ oder „notwendige“ Gut von der Gesamtheit auch nachgefragt wird. Die privaten Unternehmen sind also interessiert daran, der Öffentlichkeit Angebote zu unterbreiten. Indem sie der „Öffentlichkeit“ Dienstleistungen anbieten, sind die privaten Unternehmen konsequenterweise dazu verpflichtet, der Öffentlichkeit zu dienen und den Wünschen der Konsumenten Beachtung zu schenken, wenn sie keinen Verlust machen wollen. Selbstverständlich gilt dies auch, wenn die Konsumenten einen „unter­brechungsfreien“ Dienst möchten oder wenn die Art der Dienstleistung dies notwendig macht.[23]Hätte der Begriff „Service public“ einen Sinn, müsste er bei den privaten Unternehmen Anwendung finden, da diese definitionsgemäss der Öffentlichkeit dienen. Die öffentlichen Dienstleistungen hingegen werden davon befreit, indem sie durch den Steuerzwang finanziert werden und weiter bestehen können, auch wenn sie ihre Kunden oder „Verbraucher“ nicht befriedigen.[24]

Auf bezeichnende Weise ist ein Nachfragewachstum bei Marktprodukten ein Glücksfall, der es erlaubt, Verkäufe und Gewinne zu erhöhen, während dasselbe Wachstum bei den öffentlichen Dienstleistungen den Staat zu überfordern droht, so dass er es als Vorwurf an die Konsumenten weitergibt. Knappheit, Rationierungen und Wartelisten erscheinen als Symptome der Unfähigkeit des Staates, den Erwartungen der Konsumenten gerecht zu werden. Ein privates Unternehmen schlägt wohl eher selten vor, der Knappheit eines Produkts mit weniger Konsum zu begegnen.[25] Genau das macht der Staat aber gerne, sowohl im Bereich des Strassenverkehrs als auch der Gesundheit und der Energie.

Ausdrücke wie „minimaler Service“ werden daher für gewisse Dienstleistungen verwendet, von denen es heisst, dass der Staat sie als „lückenlose Grundversorgung“ anbieten müsse. Es sind genau die Bereiche, wo der Staat interveniert, in der Form von Preisfestsetzungen oder Konkurrenzbeschränkung, die am meisten unter diesen Problemen leiden – und die Probleme sind umso schwerwiegender, je stärker der Staat interveniert. Indem Angebot und Nachfrage davon abgehalten werden, ins Gleichgewicht zu gelangen, fördert der Staat Ineffizienzen, was zu einer geringeren Befriedigung der Wünsche der Konsumenten führt als dies auf einem freien Markt der Fall wäre.

Nichts rechtfertigt die „Grundversorgung“ als solche. In der Tat, auf dem Markt kann jedes Gut oder jede Dienstleistung zu einem adäquaten Preis bezogen werden. Es gibt keinen Grund, dass irgendwelche Gruppen eine Berechtigung haben sollten, eine Dienstleistung günstig zu beziehen, die sie normalerweise teurer zu stehen käme.

Zu liberalisierende Dienstleistungen

In zahlreichen Bereichen hat die Entwicklung neuer Technologien den zufälligen und willkürlichen Charakter des Staats besonders deutlich gemacht. Sei es im Bereich der Post, die durch elektronische Nachrichten konkurrenziert wird, oder bei der Telekommunikation und den traditionellen Medien, die durch das Internet grosse Konkurrenz erfahren. Jeder kann die gegenwärtigen Monopole nun durch vielfältige Leistungen umgehen. Es ist also schwierig, sich nicht über den beschränkten, archaischen Charakter einer teuren „öffentlichen Dienstleistung“ zu wundern, wenn man durch das Hören von Qualitätsradios eine immense Vielfalt gratis erhält. Im Falle anderer Leistungen hat der Konsument aber immer noch nicht die freie Wahl und ist gezwungen, Dinge zu finanzieren, von denen er gar keinen Gebrauch machen will.

Die Problematik der Staatsmedien und der „Kulturpolitik“

Verfügt die Kultur über Charakteristika, die es rechtfertigen würden, sie vom Markt auszuschliessen? Wie wir gesehen haben, besteht der Service public vor allem darin, ein Monopol zu erstellen und den gleichen Dienst (oder ein gleiches Bündel von Dienstleistungen) der gesamten Bevölkerung anzubieten und diese zur Finanzierung desselben zu zwingen. Im Bereich der Kultur impliziert dies, dass eine Kulturpolitik notwendigerweise willkürlich ist, da sie nur bestimmte kulturelle Produktionen fördert, auf Kosten der anderen. Das erhobene Geld schmälert die Möglichkeit eines jeden, für diejenigen kulturellen Güter oder Medien zu bezahlen, an denen ihm besonders gelegen ist.

Die Frage der Kulturpolitik

Wenn es ein Gebiet gibt, wo sich die Unterschiedlichkeit der Präferenzen am deutlichsten zeigt, dann im Bereich der kulturellen Güter und Dienstleistungen. Sei es in der Malerei, der Musik, im Kino oder im Theater, die individuellen Geschmäcker unterscheiden sich beinahe unendlich voneinander. Die Definition, was denn ein „Kunstwerk“ ausmache, ist subjektiv. Dies zeigt sich schon darin, dass viele Formen der modernen Kunst Gegenstand von Kontroversen sind. Gleiches gilt für die Musik; die Lieblingsmusik des einen kann für den anderen schrecklich zu hören sein.

Obwohl die „Kulturpolitik“ vorgibt, die kulturelle Vielfalt zu wahren oder sogar zu schaffen[26], macht der Servive public nichts anderes, als sie zu verringern . Tatsächlich ist die kulturelle Vielfalt nur eine Konsequenz der Mannigfaltigkeit der individuellen Geschmäcker und drückt sich natürlicherweise in den Prozessen des freien Markts aus. Die Vielfalt von oben „schaffen“ zu wollen, ist absurd, zumal eine eingeführte politische Massnahme notwendigerweise beschränkt ist und in Wahlmöglichkeiten und einer Präferenzordnung einiger weniger resultiert, die nicht imstande ist, die Präferenzen eines jeden Mitglieds der Bevölkerung wiederzugeben.[27] Gezwungen, eine Produktion zu finanzieren, die sie nicht gewünscht haben, geben die Individuen weniger Ressourcen dafür aus, um jene Produktionen zu unterstützen, die sie schätzen, und schaden so der wahren kulturellen Vielfalt.

Trotz dieser Tatsache interveniert der Staat im kulturellen Bereich massiv. Die öffentliche Hand gibt jährlich gut 2,3 Milliarden Franken „für die Kultur“ aus, wovon 25% von der Eidgenossenschaft, 36% von den Kantonen und 39% von den Gemeinden stammen.[28]Die Unternehmen des privaten Sektors unterstützen die Kultur mit Geldern in der Höhe von gut 400 Millionen Franken pro Jahr.[29] Der schweizerische Kunsthandel, der zu den wichtigsten Weltzentren zählt, setzt rund 3,2 Milliarden[30] und der Inlandmarkt rund 1,5 Milliarden Franken pro Jahr um. In diesem Betrag noch nicht berücksichtigt sind die freiwilligen Zuwendungen bestimmter Personen. Es ist daher angezeigt, die Wichtigkeit des staatlichen Engagements zu relativieren, ohne das die kulturelle Vielfalt ohne Zweifel noch vielfältiger wäre und den Bedürfnissen und Vorlieben der Öffentlichkeit besser entspräche.

Die Eidgenossenschaft verfügt erst seit 2000 über eine verfassungsrechtliche Basis, um in den Kulturbereich einzugreifen. Das Bundesamt für Kultur beispielsweise gibt annährend 200 Millionen Franken pro Jahr aus, wovon fast ein Viertel auf eigene Personal- und Betriebskosten entfällt.[31]Der Rest des Geldes wird auf unterschiedliche und – zweifelsohne – essenzielle Posten verteilt, wie beispielsweise die „Unterstützung der kulturellen Erwachsenenbildung“ (1 379 600 Franken), die „Unterstützung der Fahrenden“ (248 400 Franken) oder die „Förderung der Ausbildung junger Auslandschweizer“ (16 259 700 Franken).[32]

All dies geschieht angeblich im „gesamtschweizerischen Interesse“, zumal die Verfassung vorsieht, dass für die Kultur „die Kantone zuständig“ seien, wobei der Bund „kulturelle Bestrebungen von gesamtschweizerischem Interesse unterstützen sowie Kunst und Musik, insbesondere im Bereich der Ausbildung fördern kann“.[33]Dies wird im Gesetzesentwurf für das Kulturförderungsgesetz, das dem Parlament im Juni 2007 übergeben worden ist, präzisiert: „Der Bund unterstützt nur Projekte, an denen ein gesamtschweizerisches Interesse besteht.“[34] Es wird weiter präzisiert, dass ein nationales Interesse beispielsweise dann bestehe, wenn „ein Kulturgut für die Schweiz oder für die verschiedenen Sprach- und Kulturgemeinschaften der Schweiz von wesentlicher Bedeutung ist“.[35]

Wenn es bereits sehr zweifelhaft ist, inwieweit die oben angeführten Beispiele dem „gesamtschweizerischen Interesse“ dienen, so ist erst recht festzuhalten, dass das Konzept des gesamtschweizerischen Interesses jeglichen Sinnes entbehrt. Keine kulturelle Tätigkeit wird aus gesamtschweizerischem Interesse subventioniert, sondern weil sie von bestimmten Politikern oder Bürokraten willkürlich ausgewählt wurde.

Die Stiftung Pro Helvetia liefert hier ein gutes Beispiel. Ursprünglich gegründet, „um die geistige Unabhängigkeit der Kultur in der Schweiz angesichts der Bedrohung durch das nationalsozialistische Deutschland und dessen faschistische Propaganda zu bewahren“, wurde nach dem Krieg der „Ausbruch aus der geistigen und kulturellen Reduit-Stellung, in die wir uns ohne unser Verschulden gedrängt sahen“, zum Ziel erklärt.[36]Trotz widersprüchlicher und veralteter Ziele existiert die Stiftung weiterhin und wurde 2007 mit einem Budget von 32 Millionen Franken ausgestattet.

Tatsächlich können erhebliche Zweifel an der Effizienz dieser Mittelzuweisung geäussert werden. In den Jahren 2005 und 2006 wurde praktisch ein Drittel der Bundessubvention von 33 Millionen für Personal und Betrieb ausgegeben. Betrachten wir aber den erzielten „Fortschritt“, im Jahr 2001 betrug dieser Teil noch 39,6%.[37] Im letzten Bericht gibt die parlamentarischen Verwaltungskontrolle zu bedenken, dass das Portfolio „überladen wirkt“ und „neben dem Kerngeschäft der gesuchsbasierten Förderung, den stiftungseigenen Programmen und dem Betrieb von Aussenstellen zahlreiche Nebenaktivitäten (umfasse), die mit erheblichem Personalaufwand verbunden sind und teilweise über den ohnehin weit gefassten gesetzlichen Auftrag der Stiftung hinausgehen“.[38]Sie hält überdies fest, dass das Modell fest installierter Kulturzentren nach dem Muster des Centre Culturel Suisse in Paris (CCSP) „veraltet, teuer und wenig effektiv“ sei.[39]

Die Stiftung hat vor allem 2005 durch die Finanzierung einer Ausstellung in Paris auf sich aufmerksam gemacht, in der die direkte Demokratie und ein Bundesrat kritisiert wurden. Welches auch immer die eigene Meinung über diese Ausstellung oder andere von Pro Helvetia subventionierten Produktionen sein mag, es kann nicht angehen, dass ein Steuerzahler dazu gezwungen wird, eine Produktion zu finanzieren, die ihn enttäuscht, die gegen seine Interessen oder sogar gegen seine Wertvorstellungen geht. Es gilt zu beachten, dass diese Art von Problemen und Diskussionen über die Unabhängigkeit einer subventionierten Kunst durch das „Nationalisieren“ der Kultur unausweichlich und unlösbar wird. Indem eine subjektive Domäne wie die Kultur politisiert wird, wird es schlicht unmöglich, auf diese Fragestellungen eine adäquate Antwort zu finden, da die persönlichen Geschmäcker der politischen Entscheidungsträger im Spiel sind.

„Öffentliches“ Radio und Fernsehen

Während die staatliche Subvention im kulturellen Bereich die freiwillige Finanzierung von Kulturgütern glücklicherweise noch nicht verdrängt hat, lassen die 7 Fernseh- und die 16 Radiokanäle, welche öffentlich durch den Steuerzwang finanziert sind, fast keinen Platz für privat und freiwillig finanzierte Medien. Letztere müssen eine Konzession vom Eidgenössischen Departement für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation erhalten und eine Gebühr entrichten.[40] Sie können, wenn sie bestimmte Bedingungen einhalten, von einem kleinen Teil des Segens der Empfangsgebühren profitieren,[41] was den Einfluss des Staats auf die privaten Medien weiter erhöht. Diese müssen sich übrigens auch einer Reihe von Restriktionen unterwerfen, beispielsweise der Pflicht, schweizerische und europäische Produktionen zu kaufen und auszustrahlen.[42]

Die Staatsmedien dominieren so einen Markt, auf dem die Konsumenten kaum Alternativen haben. Die Schweizerische Rundfunkgesellschaft (SRG), die 1931 gegründet und danach Stück für Stück zentralisiert wurde, gibt pro Jahr 1,5 Milliarden Franken aus.[43]

Obwohl die Radio- oder Fernsehprogramme aufgrund der Unkontrollierbarkeit bei der Ausstrahlung früher vielleicht schwierig über den Markt zu finanzieren schienen, ist ein solches Argument heute nicht mehr gültig, zumal entsprechende Möglichkeiten zur Verschlüsselung existieren. Überdies wurden andere Mittel der Finanzierung entwickelt, beispielsweise die Werbung: Der Überfluss an privaten Sendern in anderen Ländern zeigt, dass es sich dabei keineswegs um einen Dienst handelt, den anzubieten der Markt nicht fähig wäre.

Auch wenn dies nicht der Fall wäre, wäre die Einmischung des Staats in die Ausstrahlung von Radio- und Fernsehprogrammen nicht gerechtfertigt. In der Tat macht ein Unternehmen, das sich entscheidet, gewisse Kanäle auszusenden, damit sie von allen frei empfangen werden können, dies aus freien Stücken, und es liegt an ihm, für die Finanzierung zu sorgen. Im Übrigen hat ja auch ein Strassenredner oder -musiker nicht das Recht, vonseiten aller, die in seiner Nähe vorbeigehen, eine Zahlung einzufordern, selbst wenn die Betroffenen Gefallen an der Rede oder der Musik finden.

Die relevante Frage ist daher nicht zu wissen, ob die Konsumenten eine bestimmte Dienstleistung konsumieren können, sondern ob sie sich entscheiden würden, sie zu konsumieren, wenn sie die Wahl hätten. Da der aus einem Gut gezogene Nutzen notwendigerweise eine persönliche Sache ist, genügt es nicht, irgendein Programm zu empfangen, um Lust auf den Konsum zu haben; extrem gesagt könnte das Programm auch irgendein Piepton sein, den niemand hören möchte.[44] Im Fall des Service public wurde das Angebot von Fernsehen und Radio so eingeführt, als würden die Präferenzen der Konsumenten nicht existieren oder als hätten sie überhaupt keine Bedeutung.

Im Falle einer Liberalisierung gibt es zwei mögliche Szenarien. Entweder könnte es sein, dass die audiovisuelle, „öffentliche“ Produktion von einer genügend grossen Zuschauerzahl zum Preis, den sie kostet, wirklich nachgefragt würde. Oder es könnte sein, dass die Produktion nicht nachgefragt würde und von den Konsumenten kein so hoher Preis bezahlt würde, falls sie die Wahl hätten. In diesem Fall gäbe es keinen Grund für ihre Existenz.

Die audiovisuellen Medien durch staatlichen Zwang zu finanzieren ist folglich entweder unnütz oder ungerechtfertigt. In einem Umfeld unterschiedlicher individueller Präferenzen ist es völlig illegitim, dass bestimmte Personen für einen Dienst bezahlen sollen, den sie nicht konsumieren möchten, egal ob dabei andere zufriedengestellt werden oder nicht.

Bloss zwei Gruppen stehen bei der Beibehaltung einer nicht über den Markt stattfindenden Finanzierung als Gewinner da. Einerseits sind dies die Produzenten der Medien, die denken, dass ihre Produktion nicht aus freien Stücken zu einem genügend hohen Preis von genügend Zuschauern betrachtet würde, aber die ihre Produktionen den Konsumenten trotzdem aufzwingen möchten. Andererseits können gewisse Konsumenten, welche die durch staatlichen Zwang finanzierte audiovisuelle Produktion schätzen, Gefallen daran finden, dass jene von anderen bezahlt wird und dass sie selbst somit weniger zu bezahlen haben, als sie es auf einem freien Markt hätten. Konsequenterweise ist der vorgegebene audiovisuelle Service public nichts weiter als ein Mittel für einige, um andere den Preis ihrer persönlichen kulturellen Vorlieben bezahlen zu lassen.

Eine Eigenheit des Service public im audiovisuellen Bereich besteht in folgendem: Anstatt dass er direkt durch öffentliche Ausgaben finanziert wird, geschieht dies durch „Empfangsgebühren für Radio und Fernsehen“. Eine Gebühr muss normalerweise als Entgelt für eine Dienstleistung bezahlt werden. Wenn dies wirklich der Fall wäre, wäre der angebotene Dienst auf freiwillige Weise finanziert und würde frei auf dem Markt angebotenen Diensten ähneln. Der Ausdruck der „Empfangsgebühr“ erlaubt es, den Eindruck eines von den Konsumenten in voller Freiheit bezahlten Dienstes zu vermitteln.

In Wahrheit muss die Gebühr aber durch alle Haushalte bezahlt werden, die funktionstüchtige Radio- oder Fernsehgeräte besitzen.[45] Die Gebühr wird also nur wegen des einfachen Besitzes eines bestimmten Apparats bezahlt, egal ob der Besitzer ihn verwendet oder nicht.[46] So besteht auch bei längerer Abwesenheit keine Ausnahme, da es genügt, dass ein funktionsfähiger Fernseher in der Wohnung der Person vorhanden ist, damit diese zur Zahlung der Gebühr verpflichtet ist.[47]Gemäss der Billag, dem mit dem Inkasso der Gebühr beauftragten Unternehmen, ist „nach geltendem Gesetz nicht die effektive Nutzung der Geräte, sondern das Vorhandensein derselben“ ausschlaggebend.[48] Der Umstand, ob man die gebührenfinanzierten Programme erhält oder nicht, ist ebenso wenig von Bedeutung: Gemäss Gesetz „muss man sich anmelden, sobald ein Gerät vorhanden ist, das technisch in der Lage ist, Programme zu empfangen“, ohne dass genauer präzisiert wird, dass sie auch nur die spezifischen Programme der „SRG SSR idée suisse“ empfangen können.

Das Gebührenprinzip erweckt den Eindruck, als ob die Produktionen von „SRG SSR idée suisse“ die einzige auf der Welt wären und dass, wenn ein Konsument ein Radio oder einen Fernseher besitzt, er notwendigerweise dafür ist, ihre Dienstleistungen zu beziehen. Die „öffentlichen“ Kanäle haben jedoch nur einen kleinen Marktanteil: Der Grossteil der Zuschauer schaut vor allem ausländische Kanäle.[49] Im Übrigen, auch wenn die Konsumenten entscheiden, „öffentliche“ Programme zu schauen oder zu hören, so sagt uns diese Wahl nichts über die wahren Präferenzen: Da sie die Gebühr bezahlen müssen, egal ob sie den Dienst in Anspruch nehmen wollen oder nicht, ist es nicht mehr möglich zu wissen, wieviel sie zu zahlen bereit wären, falls sie die Wahl hätten – wie es bei jeder anderen Ware der Fall ist – und ob sie es immer noch konsumieren würden.

Zu beachten ist, dass die Bürger kaum Begeisterung für die Bezahlung ihrer „Pflicht“ an den Tag legen: Billag versendet eine Million Zahlungserinnerungen und betreibt an die 60 000 Personen pro Jahr.[50]Die Empfangsgebühr macht sogar Hausdurchsuchungen erforderlich, um festzustellen, ob eine zahlungsunwillige Person einen Fernseher besitzt oder nicht.

Die Wahrheit über eine Steuer, die sich mehr schlecht als recht als Zahlung für Leistungen verkleidet, figuriert übrigens sehr klar bei den „Fragen und Antworten“ auf der Website der Billag. Zur Frage „Warum muss ich Gebühren zahlen, wenn ich nur ausländische Programme mit der Satellitenschüssel konsumiere?“ antwortet Billag: „Die Gebühr ist dem Bund dafür geschuldet, dass Programme empfangen werden. Welche Programme auf welchem Wege empfangen werden, spielt dabei keine Rolle.“[51]Mit anderen Worten, die Gebühr muss für den Empfang bezahlt werden, der keinerlei Bedeutung hat.

Unter diesen Umständen scheint es schwierig, die angebliche „Empfangsgebühr“ als irgendetwas anderes als eine Vermögenssteuer auf den Betrieb von bestimmten Geräten, die folglich nichts mit irgendeinem Dienst oder einer Zahlung für geleistete Dienste zu tun hat, zu betrachten. Es ist unklar, weshalb das öffentliche Fernsehen nicht über andere Steuern, über die Einkommens- oder Vermögenssteuern, finanziert wird, die ja ohnehin bereits bezahlt werden. Der einzige Grund dafür scheint das Verstecken der wahren Natur dieser Steuer zu sein, wobei Privilegien an eine private Firma vergeben werden.

Die Liberalisierung der Postdienste

In der Europäischen Union ist eine komplette Liberalisierung der Postdienste bis 2009 vorgesehen. Obwohl die Anwendung und die Modalitäten sich in den verschiedenen Ländern unterscheiden, hat der Grossteil der Mitgliedsstaaten ihre Aktivitäten bereits in Aktiengesellschaften überführt und der Markt ist bereits für Briefe über 50 Gramm geöffnet. In diesem Bereich muss zugegeben werden, dass die Schweiz im internationalen Vergleich sehr träge voranschreitet. In der Tat hat die schweizerische Post noch immer ihr Briefmonopol für Briefe unter 100 Gramm inne, wobei diese 89% aller Postsendungen und 83% des Umsatzes der Post ausmachen. Eine vollständige Liberalisierung wird von ökonomischer Seite schon seit langem gefordert, stösst aber auf starken Widerstand von links und von den Syndikaten, wie es die knappe Ablehnung der Initiative „Postdienste für alle“ zeigte.

Die Vorzüge einer Liberalisierung

Die Post selbst sagt, sie biete „qualitativ hoch stehende Dienstleitungen zu günstigen Preisen an, wie unabhängige Messungen wiederholt belegt haben“.[52] Wenn die Post glaubt, ihre Dienstleistungen seien von guter Qualität und zu korrekten Preisen angeboten, so müsste sie sich eigentlich vor einer Liberalisierung nicht fürchten.

Für die Konsumenten sind die Vorzüge eines allfälligen Wettbewerbs wohlbekannt: Preissenkungen, breitere Angebote und bessere Leistungen. So ist die Kundenzufriedenheit in bereits liberalisierten Bereichen angestiegen,[53]wo die Liberalisierung die Post im Übrigen dazu gezwungen hat, mehr auf die Bedürfnisse der Kundschaft zu hören und spezifischere Dienstleistungen anzubieten.[54]

Die in der Europäischen Union stärker vorangeschrittene Liberalisierung der Postdienste hat zahlreiche positive Effekte, unter anderem einen Effizienzgewinn und eine höhere Servicequalität.[55]Es wird vorausgesehen, dass eine noch stärker vorangetriebene Liberalisierung sich in substanziellen Gewinnen äussern wird, nämlich in einer besseren Kundenorientierung der Postdienste, einem breiteren Serviceangebot, in der Verwendung neuer Technologien und natürlich in einer Senkung der Preise.[56]

Verschiedene Studien belegen, dass der schweizerische Postmarkt unter Beibehaltung des Abdeckungsgebiets liberalisiert werden könnte, zumal mehr als 90% des konsolidierten Gewinns der Post aus dem „Universaldienstauftrag“stammt.[57] Die Post wäre selbst gut auf eine Liberalisierung vorbereitet.[58] Indem sie einen so hohen Gewinn in einem Bereich erzielt, wo sie ein Monopol innehat, zeigt sie freilich, dass die Konsumenten ihre Leistungen zu teuer bezahlen.

Einige Leute bekunden Angst um Arbeitsplätze, da die Restrukturierungen der Post zu Arbeitsabbau geführt haben. Die Postdienste sind allerdings ein Sektor, der sich gut hält und immer noch von einer hohen Nachfrage geprägt ist. Andere Arbeitsplätze wurden und werden durch ihre Konkurrenten geschaffen – sobald es ihnen erlaubt ist, also sobald der Markt liberalisiert worden ist.[59]

Die Post profitiert im Übrigen von diversen rechtlichen Privilegien und Vorteilen, die in gleicher Weise aus der Welt geschafft werden müssten, um einen gesunden Wettbewerb zu ermöglichen. Diese Privilegien beinhalten – über das Monopol auf bestimmte Dienstleistungen hinaus – die Befreiung von der Gewinnsteuer und Subventionen für den Transport von Zeitungen. Im Gegenzug darf die Post nicht mehr dem restriktiven Personalgesetz der Eidgenossenschaft unterstellt sein.

Das falsche Problem der „Grundversorgung“

Auch wenn bereits eine Teilliberalisierung der Post ein Fortschritt wäre, so ist es dennoch angezeigt, das Prinzip der „Grundversorgung“ in Frage zu stellen. Auf einem wirklich freien Markt konkurrieren alle Unternehmen, ohne dass eines von ihnen eine Verpflichtung oder gesetzliche Privilegien hätte, und sie würden frei entscheiden, welche Leistungen sie anböten.

Vor allem ist der Begriff der „Grundversorgung“ nicht angebracht, da es sich nicht eben um eine solche handelt. In der Definition, die in der Schweiz in Kraft ist, heisst es nur, dass „Die Schweizerische Post sicherstellen muss, dass die Dienstleistungen der Grundversorgung in allen Regionen für alle Bevölkerungs­gruppen in angemessener Distanz erhältlich sind. Als angemessen gilt dabei, wenn mindestens 90% der Bevölkerung im Durchschnitt innert 20 Minuten zu Fuss oder mit dem öffentlichen Verkehr Zugang zur nächsten Poststelle haben.“[60] Während die Post dieses Kriterium ziemlich gut erfüllt, so kann die nächste Poststelle für 4,1% der Bevölkerung nur in mehr als 30 Minuten erreicht werden.[61] Im internationalen Vergleich ist die Dichte der Poststellen nichtsdestoweniger sehr hoch. Während die Schweiz im Durchschnitt eine Poststelle auf 16 km2 besitzt, so ist es in Österreich eine Stelle pro 43 km2.[62]

Es scheint sinnvoller, innovative Lösungen zum Wohle aller zu finden – beispielsweise durch das Anbieten von Postdiensten zuhause, über das Internet, in Lebensmittelläden, Papeterien, Tankstellen usw., wie dies bereits teilweise geschieht –, als eine „stärkere Grundversorgung“ anzustreben, die zwar dichter, aber mit höheren Kosten für die Gesamtheit der Kunden verbunden ist. Es besteht kaum Zweifel an der Tatsache, dass solche Lösungen auf einem freien Markt spontan aufkommen und sich etablieren würden, vergleichbar mit bestimmten Geschäfte, die heute bereits Heimlieferdienste anbieten.

Schweden bietet ein sehr illustratives Beispiel solcher innovativer Lösungen, die ins Auge gefasst werden können. Vor der Reorganisation des Postnetzes betrug die Zahl der Poststellen 1 300. Nun sind es 2 800, aber 2 400 werden von Dritten betrieben, beispielsweise von Supermärkten, Tankstellen oder Bäckereien. Entgegen der Situation in der Schweiz, wo die Poststellen oft nur wenige Stunden pro Tag geöffnet haben und an einem bestimmten Teil der Woche, ist ein Grossteil dieser Poststellen an sieben Tagen mit langen Öffnungszeiten zugänglich. Auch in Norwegen werden 80% der Postschalter von Dritten betrieben, was eine Erhöhung der Zugangspunkte um 40% zwischen 2000 und 2004 ermöglicht hat.[63]

Es gilt schliesslich zu beachten, dass die vorgebliche „Grundversorgung“ in moralischer Hinsicht zweifelhaft ist. Effektiv scheint sie zu implizieren, dass jeder Bürger ein Recht auf eine nahe Poststelle besitzt. Wenn es für einen Postkunden eines isolierten Dorfs selbstverständlich praktisch ist, eine möglichst nahe Poststelle zur Verfügung zu haben, wäre es doch noch praktischer, ein Kino, ein Theater, einen Supermarkt oder sogar eine Universität im gleichen Dorf zu haben: Dies impliziert aber nicht, dass der Rest der Gesellschaft verpflichtet ist, ihm diese Dienstleistungen zu bezahlen. Wenn jeder die Freiheit hat, da zu leben, wo er will, gibt es keinen Grund, weshalb er solche Konsequenzen, einschliesslich eines aufgrund der lokalen Nichtverfügbarkeit möglicherweise höheren Preisniveaus, nicht in Kauf nehmen sollte. Die freie Wahl des Wohnorts, mit all ihren Vor- und Nachteilen sollte nicht von anderen erduldet werden müssen.

Die Privatisierung der Infrastruktur

Der Untergang der Swissair oder die Probleme von Skyguide haben die Albernheit des staatlichen Einmischens in den Luftverkehr auf dramatische Weise unterstrichen. Auf dem freien Markt hingegen haben neue Luftfahrtunternehmen Innovationen hervorgebracht und sind in der Lage gewesen, Dienstleistungen zu ehemals unvorstellbaren Preisen anzubieten. Dennoch ist die Liberalisierung beim Landverkehr noch kaum ins Auge gefasst. In anderen Bereichen wie in der Telekommunikation und der Elektrizität werden Liberalisierungen trotz der erheblichen Vorteile, die sie mit sich bringen könnten, bekämpft.

Telekommunikation und Elektrizität

Der potenzielle Druck der Konkurrenz und die Liberalisierung der Telekommunikation haben für die Konsumenten enorme Vorteile gebracht: Der Konsumpreisindex für Telekommunikationsdienstleistungen hat sich innerhalb von 10 Jahren halbiert, während er einige Jahre vor der Liberalisierung noch auf einem Höchststand war.[64] Wenn die Konsumenten langsam beginnen, von der Liberalisierung der „letzten Meile“ (dies sind die Kupferdrähte, welche die Telefonzentralen mit den jeweiligen Anschlüssen verbinden) zu profitieren, so verbleibt noch die Privatisierung der Swisscom. Die Tatsache, dass die Eidgenossenschaft Aktionärin zu 58,4%[65] eines auf einem Markt tätigen und der Konkurrenz ausgesetzten Unternehmens bleibt, führt zu Interessenskonflikten und nicht tolerierbaren Risiken für den Steuerzahler, während die unternehmerische Freiheit dieser Gesellschaft unnötigerweise begrenzt wird.

Im Bereich der Elektrizität ist der Markt bereits teilweise liberalisiert worden, da gewisse grossen Unternehmen von günstigeren Tarifen profitieren können, indem sie die potenzielle Konkurrenz spielen lassen. Das Elektrizitätsmarktgesetz, das unzweifelhaft einige unnötige Bestimmungen enthielt und auf eine vollständige Liberalisierung abzielte, wurde von einer geringen Mehrheit abgelehnt. Nun können sich die Argumente gegen die Liberalisierung kaum mehr behaupten.

Die Stromknappheit anfangs 2000 in Kalifornien, oft als Argument gegen die Liberalisierungen verwendet, ist in Wirklichkeit ein Beweis für die negativen Auswirkungen des Interventionismus. Tatsächlich hat der kalifornische Staat einerseits die Baumöglichkeiten und das Betreiben von Elektrozentralen begrenzt und so das mögliche Angebot verknappt, und andererseits hat er die Verkaufspreise reglementiert. Auf diese Weise konnten weder das Angebot noch höhere Preise auf einen Nachfrageanstieg reagieren, was unweigerlich zu einem Elektrizitätsmangel führte. Eine Deregulierung der Preise in bestimmten Regionen hat in der Folge zu einem drastischen Preisanstieg geführt, als Antwort auf den Nachfrageüberschuss der anderen Regionen. Wohlbemerkt hätte sich dieses Problem, wenn die Preise und die Elektrizitätsbeschaffung in ganz Kalifornien dereguliert worden wären, nie gestellt. Die Preise hätten sich gegenüber ihrem regulierten Stand erhöht, bevor sie sich durch ein dank der Liberalisierung ermöglichtes gesteigertes Angebot wieder hätten senken können.[66]

Ebenso sind die Beispiele von Ländern, wo sich die Preise wegen der Liberalisierung erhöht haben sollen, irreführend. In der Tat begrenzen zahlreiche Reglemente den Wettbewerb, obwohl mehrere Länder der EU den Markt bereits teilweise liberalisiert haben. In Deutschland werden auf der Elektrizität seit 1999 erhöhte Steuern erhoben, sie befinden sich gegenwärtig auf einem Höchststand. Gesamthaft sind die Elektrizitätspreise durch die Liberalisierung in der EU real gesunken, trotz der hohen Rohstoffpreise und der Überregulierung durch die EU, die bei den für den Energiesektor bereits geltenden nationalen Vorgaben mitspricht.[67] Seit Juli 2007 haben alle in der EU Ansässigen grundsätzlich die freie Wahl ihres Anbieters.

Auch das ökologische Argument spricht nicht gegen eine Liberalisierung. Im Effekt kann nämlich die Wahl den Konsumenten überlassen werden, welche die entsprechenden Kosten zu tragen haben. So haben in Genf beispielsweise 248 000 Kunden der Services Industriels (SIG) eine teurere, aber aus erneuerbaren Energien stammende Elektrizität gewählt, was 86% der von der SIG angebotenen Elektrizität entspricht. Unter diesen wiederum haben 36 100 eine noch um 25% teurere gewählt, die als die „ökologischste des Netzes“ ausgewiesen wird und massgeblich zum Ausbau der Produktion von Solarenergie im Kanton beiträgt.[68]

Eisenbahnen und Strassenverkehr

In der Europäischen Union ist der Gütertransport auf Schienen seit dem 1. Januar 2007 liberalisiert, in der Schweiz bereits seit dem 1. Januar 1999. Wie aber steht es um den Personenverkehr?

Für letzteren haben die Schweizerischen Bundesbahnen (SBB) gerade eben eine Tariferhöhung angekündigt – 3,1% für die Fahrkarten und 3,6% für das Generalabonnement ab Dezember 2007.[69]Die Bahnreisenden haben keine Wahl – ausser die, dass sie auf andere Transportmittel ausweichen. Hinzu kommt, dass die SBB kaum transparent sind im Hinblick auf ihre Preisstruktur und ihre Kosten, was auf ihnen den Verdacht lasten lässt, dass sie sich eine Monopolrente im Personentransport sichern, um auf künstliche Weise kompetitiver im Bereich des für die Konkurrenz geöffneten Gütertransports zu sein.[70]

Die SBB kommen so nicht nur die Reisenden, sondern die Gesamtheit der Steuerzahler teuer zu stehen. Die Ausgaben der Eidgenossenschaft in diesem Bereich sind effektiv keine schlanke Angelegenheit: Allein für 2007 bis 2010 hat das Parlament Ausgaben in der Höhe von 5,9 Milliarden Franken bewilligt, um die Infrastruktur der SBB zu finanzieren. Die jährlichen Ausgaben des Bundes sind im öffentlichen Verkehr, namentlich bei den SBB und den grossen Bahnprojekten, im Jahr 2006 auf 4,6 Milliarden Franken angestiegen und auf 2,7 Milliarden bei den Strassen. Von 1990 bis 2004 haben die gesamten öffentlichen Ausgaben für den Transport stärker zugenommen als die Teuerung, indem sie pro Jahr durchschnittlich 3,1% gestiegen sind, von 8,8 auf 13,5 Milliarden Franken.[71]

Eine Liberalisierung des Schienenverkehrs könnte dazu beitragen, die Steuern zu Gunsten einer ausschliesslich von den Benutzern entrichteten Zahlung zu senken und würde eine gesunde Konkurrenz in dem Bereich erlauben, was wiederum die Servicequalität steigern würde. Die Beispiele in anderen Ländern zeigen, dass eine wahre Liberalisierung funktioniert und die gewünschten Vorteile zeitigt – wenn sie korrekt und vollständig durchgeführt wird. Im Vereinigten Königreich wurde die Privatisierung mit einer vertikalen Fragmentierung durchgeführt und einem Unternehmen für die Infrastruktur ein privates Monopol zugestanden. Sie war begleitet von zahlreichen staatlichen Auflagen, unter anderem einer Preiskontrolle auf allen Stufen.[72] In Japan hingegen ist das Bahnnetz, eines der wichtigsten auf der Welt im Hinblick auf die Passagierzahlen,[73] unter mehreren Unternehmen im Wettbewerb aufgeteilt und berühmt für seine Effizienz.

Wenn der Personentransport oft teuer und relativ unpraktisch ist, wird der Strassenverkehr – dennoch das meistbenutzte Transportmittel – mit allen Mitteln vom Staat unattraktiv gemacht, sei es durch Steuern auf Kraftstoffe, chronischen Mangel an Parkplätzen (absichtlich auf Tiefstand in gewissen Städten) oder durch ihre exorbitanten Preisen oder Flaschenhälse zu bestimmten Tageszeiten. Sich von einem Ort zum anderen zu begeben, ist weder angenehm noch günstig.

Im Hinblick auf die Strassen existiert immer noch ein nicht ausgenutztes Liberalisierungspotenzial. Anstatt zu einem Rückgang in Richtung eines weniger offenen Strassennetzes zu führen, würden es Privatisierungen in diesem Bereich erlauben, Angebot und Nachfrage besser anzupassen, Verkehrsüberlastungen zu vermeiden und die Steuern zu senken. Die modernen Techniken der Zahlungskontrolle können überdies verhindern, dass man bei physischen Mautstellen vorbeifahren muss, und würden so die Benützung der Strassen verbessern.[74]

Die freie Wahl des Konsumenten wiederherstellen

Im Licht einer fundierten Analyse scheint es klar, dass das Konzept des Service public in erster Linie als Deckmantel zur Erfüllung von individuellen Interessen dient, zum Schutz von Bevorteilungen oder zur Beibehaltung der Privilegien einer gewerkschaftlichen Kundschaft. Der Service public dient als Entschuldigung, um gesetzlich geschützte Monopole oder subventionierte Unternehmen aufrechtzuerhalten, und gestattet es so, die Disziplin des Markts zu unterminieren.

Die internationale und die nationale Erfahrung zeigen in verschiedenen Sektoren, dass die Liberalisierungen und Privatisierungen zu einer Diversifikation des Angebots führen, zu höherer Qualität bei tieferen Preisen und zu einem besseren Dienst für den Konsumenten, folglich also zu mehr Wohlstand.[75] Selbst in den Bereichen, wo man es am wenigsten erwarten würde, führen Privatisierungen zu Effizienzgewinnen.[76]

Wie aber ist zu liberalisieren? In erster Linie ist es angezeigt, die Monopole oder Privilegien, die keine Daseinsberechtigung haben, zu beseitigen, wie beispielsweise das Privileg der SRG, seine Produktionen über den Steuerzwang zu finanzieren, oder das Vorrecht der Billag, die Gebühren einzuziehen. In diesem letzten Fall hat die Tatsache, dass einem privaten Unternehmen das Einziehen einer Steuer erlaubt wird, welche in den Rundfunkgebühren besteht, nichts Liberales an sich.Dass unverdiente Privilegien privaten Unternehmen oder öffentlichen Monopolen zugestanden werden, ändert nichts an deren Unehrlichkeit.

Als zweites ist es notwendig, die legitimen, aber durch konsumenten- oder marktfeindliche Reglemente gehemmten Aktivitäten zu deregulieren. Dies bedeutet, dass man den Monopolen und dem Fetisch der „Grundversorgung“ und des „nationalen Interesses“ ein Ende setzen muss. Die Freiheit, in den Markt einzutreten und Produkte anzubieten, muss wiederhergestellt werden. Es gibt auch keinen Grund, die Konkurrenzierung der Post in bestimmten Bereichen weiterhin zu verbieten.

Als drittes sind die noch im Staatsbesitz befindlichen, aber auf einem relativ liberalisierten Markt agierenden Unternehmen zu privatisieren, mit anderen Worten ist das Eigentum vom Staat an den Privatsektor zu übergeben. Es ist beispielsweise bei der Swisscom angebracht, diesen letzten Schritt zu tun.

Abschliessend muss festgehalten werden, dass die Anhänger des Service public nichts von den Liberalisierungen zu befürchten haben. Wenn keine dieser Dienstleistungen der Definition eines „öffentlichen Gutes“ genügt, die anzubieten der Markt nicht fähig sei, bedeutet dies nichts anderes, als dass diese Dienstleistungen, falls sie von der Bevölkerung wirklich gewünscht wären, keinerlei Schwierigkeiten hätten, sich zu finanzieren. Wenn eine Mehrheit der Schweizer der Überzeugung ist, dass ihr Radio und ihr Fernsehen die 38,50 Franken pro Monat wert sind, die sie gegenwärtig kosten, würden sie sie aus freien Stücken bezahlen, wie es bereits andere Leute für private Kanäle tun – die Liberalisierung würde für sie nichts ändern. Wenn dies nicht der Fall wäre, so ist es umgekehrt genau das Ziel des vorgegebenen Service public, missbräuchlich einen Teil der Bevölkerung für die Präferenzen eines anderen Teils bezahlen zu lassen.

Die freie Wahl wiederherzustellen erscheint daher als ökonomischer und moralischer Imperativ.